Wie wirkt Venlafaxin?
Venlafaxin gehört zu einer Gruppe von Medikamenten, die Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI)genannt werden. Es wirkt im zentralen Nervensystem, also im Gehirn und Rückenmark, indem es den Spiegel der Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin erhöht. Diese Botenstoffe helfen dem Körper, Schmerzen „von oben nach unten“ zu regulieren – sie aktivieren schmerzhemmende Bahnen und verringern die Weiterleitung von Schmerzsignalen. So werden Schmerzimpulse, die nach einer Nervenschädigung überaktiv sind, gedämpft. Die Wirkung auf den Schmerz ist unabhängig von der antidepressiven Wirkung: Das bedeutet, Venlafaxin hilft auch dann gegen Nervenschmerzen, wenn keine Depression vorliegt.
Wie wird Venlafaxin eingenommen?
Wir beginnen die Behandlung in der Regel mit einer niedrigen Dosis, um den Körper langsam an das Medikament zu gewöhnen. Meist starten wir mit 37,5 mg einmal täglich (Retardkapsel) oder 25 mg zweimal täglich (Tablettenform). Nach etwa einer Woche kann die Dosis auf 75 mg täglich gesteigert werden, wenn das Medikament gut vertragen wird. In manchen Fällen wird eine Erhaltungsdosis von 75–150 mg pro Tag benötigt, selten bis zu 225 mg täglich. Venlafaxin sollte immer mit einer Mahlzeit eingenommen werden, da dies Magenbeschwerden vorbeugt. Retardkapseln dürfen nicht geöffnet oder zerkaut werden – sie müssen unversehrt geschluckt werden, da sie den Wirkstoff langsam freisetzen. Die volle Wirkung tritt meist nach zwei bis vier Wochen ein. Wenn Sie das Medikament absetzen möchten, darf dies nicht abrupt, sondern nur schrittweise über mehrere Wochen erfolgen, um Absetzerscheinungen wie Schwindel, Schlafprobleme oder Kribbeln zu vermeiden.
Was ist bei der Einnahme zu beachten?
Während der Einnahme von Venlafaxin sollte regelmäßig der Blutdruck kontrolliert werden, da das Medikament diesen leicht erhöhen kann – vor allem in höheren Dosierungen. Wenn Sie bereits unter Bluthochdruck leiden, teilen Sie uns dies bitte mit, damit wir Ihre Therapie eng begleiten.
Vermeiden Sie die gleichzeitige Einnahme anderer serotoninwirksamer Medikamente wie Johanniskraut, Tramadol, Triptane (Migränemittel) oder andere Antidepressiva, da dies zu einer gefährlichen Überstimulation des Serotoninsystems führen kann (sogenanntes Serotonin-Syndrom). Sollten Sie eine Leber- oder Nierenerkrankung haben, informieren Sie uns bitte vor Therapiebeginn – in solchen Fällen passen wir die Dosis individuell an. Alkohol sollte möglichst vermieden werden, da er die Wirkung auf das Nervensystem verstärken und die Aufmerksamkeit beeinträchtigen kann.
Welche Nebenwirkungen können auftreten?
Die meisten Patienten vertragen Venlafaxin gut, insbesondere wenn die Dosis langsam gesteigert wird. Zu Beginn können Übelkeit, Schwindel, Schlaflosigkeit oder Müdigkeit, vermehrtes Schwitzen oder Mundtrockenheit auftreten. Diese Beschwerden sind meist mild und klingen oft nach einigen Tagen bis Wochen ab.
Gelegentlich kommt es zu einem Anstieg des Blutdrucks, leichtem Herzklopfen oder Kopfschmerzen. Wenn Sie eine solche Veränderung bemerken, informieren Sie uns bitte bei Ihrem nächsten Termin.
Selten treten Verwirrtheit, Zittern, Fieber oder Muskelzuckungen auf – dies kann auf ein Serotonin-Syndromhinweisen und muss sofort ärztlich abgeklärt werden. Wie bei allen Antidepressiva besteht ein geringes Risiko, dass sich in den ersten Wochen verstärkte Grübelneigung oder Suizidgedanken entwickeln können. Bitte sprechen Sie uns umgehend an, wenn Sie sich psychisch belastet fühlen.
Wann sollte ich sofort ärztliche Hilfe aufsuchen?
Suchen Sie bitte umgehend ärztliche Hilfe auf, wenn Sie Fieber, Muskelzuckungen, Unruhe oder Verwirrtheit bemerken (mögliche Zeichen eines Serotonin-Syndroms), plötzlich starke Kopfschmerzen, Nasenbluten oder Herzklopfen entwickeln (möglicher Bluthochdruckanstieg), Ohnmacht, Herzstolpern oder Brustschmerzen spüren (Hinweis auf Herzrhythmusstörungen), Gelbfärbung der Haut oder Augen, dunklen Urin oder Schmerzen im Oberbauch entwickeln (Hinweis auf Leberbeteiligung), oder sich ungewöhnlich ängstlich, depressiv oder verzweifelt fühlen.
Solche Situationen sind selten, sollten aber nicht abgewartet werden. Sie können sich jederzeit an unsere Praxis oder an den ärztlichen Notdienst wenden.
Wie begleiten wir Ihre Behandlung in unserer Praxis?
In unserer neurologischen Facharztpraxis achten wir darauf, die Therapie individuell abzustimmen – abhängig von Ihrer Schmerzintensität, Stimmungslage, Begleiterkrankungen und bisherigen Medikamenten. Vor Beginn prüfen wir mögliche Wechselwirkungen, insbesondere mit anderen Antidepressiva, Schmerzmitteln oder Blutverdünnern. Während der Behandlung führen wir regelmäßige Verlaufskontrollen durch – dabei messen wir den Blutdruck, besprechen Ihre Schmerzveränderung und achten auf mögliche Nebenwirkungen.
Wenn nötig, kombinieren wir Venlafaxin mit anderen schmerzlindernden Verfahren, etwa Gabapentin, Pregabalin oder einer lokalen Schmerztherapie. Ziel ist immer, Ihre Lebensqualität zu verbessern, Schlaf und Stimmung zu stabilisieren und chronischen Schmerz zu verhindern.
Wie lange dauert die Behandlung?
Die Behandlung wird individuell festgelegt. Bei postherpetischer Neuralgie dauert sie meist mehrere Wochen bis Monate, da Nervenschmerzen oft langsam nachlassen. Wenn sich Ihr Zustand stabilisiert hat, besprechen wir gemeinsam, wann und wie das Medikament schrittweise reduziert werden kann. Ein zu rasches Absetzen sollte vermieden werden, da sonst Absetzerscheinungen wie Schwindel, Kribbeln oder Schlafstörungen auftreten können. Unser Ziel ist immer, die Therapie so kurz wie nötig, aber so lange wie sinnvoll fortzusetzen.