Die medikamentöse Therapie stellt die Erstwahl in der Behandlung der Trigeminusneuralgie (TN) dar. Ziel ist es, die Häufigkeit, Intensität und Dauer der Schmerzattacken zu reduzieren und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Grundlage ist der Einsatz von Antikonvulsiva, ergänzt durch weitere pharmakologische Optionen bei unzureichendem Ansprechen oder bestehenden Komorbiditäten. Eine engmaschige klinische Kontrolle, regelmäßige Laborkontrollen und eine individuelle Dosisanpassung sind für den Therapieerfolg essenziell.
Antikonvulsiva (Erstlinientherapie)
Carbamazepin gilt als Goldstandard in der Behandlung der klassischen TN. Es blockiert spannungsabhängige Natriumkanäle und vermindert dadurch die neuronale Übererregbarkeit. Die Therapie beginnt mit einer Dosierung von 100–200 mg pro Tag, aufgeteilt in zwei Einzeldosen. Alle zwei bis drei Tage kann die Dosis um 100–200 mg gesteigert werden, bis Schmerzfreiheit erreicht ist. Die Erhaltungsdosis liegt in der Regel zwischen 600 und 1200 mg pro Tag, verteilt auf zwei bis drei Gaben. Typische Nebenwirkungen sind Schwindel, Müdigkeit, Übelkeit und Ataxie; selten treten Hyponatriämie, Leberfunktionsstörungen oder eine Agranulozytose auf. Daher sind regelmäßige Kontrollen von Blutbild sowie Leber- und Nierenwerten erforderlich.
Oxcarbazepin besitzt einen ähnlichen Wirkmechanismus wie Carbamazepin, zeigt jedoch ein günstigeres Nebenwirkungsprofil. Es wird initial mit 150–300 mg pro Tag in zwei Dosen begonnen und alle zwei bis drei Tage um 150–300 mg gesteigert. Die Erhaltungsdosis beträgt 600–1800 mg pro Tag. Nebenwirkungen entsprechen weitgehend denen des Carbamazepins, allerdings besteht ein geringeres Risiko schwerer hämatologischer Komplikationen. Oxcarbazepin ist besonders bei Unverträglichkeit oder Kontraindikationen gegenüber Carbamazepin geeignet.
Antikonvulsiva (Zweitlinientherapie)
Bei unzureichendem Ansprechen auf Erstlinientherapeutika oder bei atypischen Verläufen werden alternative Antikonvulsiva eingesetzt. Gabapentin bindet an die α₂δ-Untereinheit spannungsabhängiger Calciumkanäle und hemmt die Freisetzung exzitatorischer Neurotransmitter. Die Anfangsdosis beträgt 300 mg pro Tag, mit schrittweiser Steigerung um 300 mg alle zwei bis drei Tage bis zu einer Erhaltungsdosis von 900–3600 mg pro Tag in drei Einzeldosen. Häufige Nebenwirkungen sind Schläfrigkeit, Schwindel und periphere Ödeme.
Pregabalin wirkt über denselben Mechanismus, weist aber eine höhere Affinität zur α₂δ-Untereinheit auf. Es wird mit 75 mg pro Tag, aufgeteilt in zwei Dosen, begonnen und alle drei bis sieben Tage um 75 mg gesteigert. Die Erhaltungsdosis liegt zwischen 150 und 600 mg pro Tag. Zu den Nebenwirkungen zählen Schläfrigkeit, Schwindel und Gewichtszunahme. Pregabalin ist insbesondere bei gleichzeitigen Angststörungen eine geeignete Option.
Lamotrigin, das spannungsabhängige Natriumkanäle blockiert, wird vor allem bei atypischen oder therapieresistenten Formen der TN eingesetzt. Die Initialdosis beträgt 25 mg pro Tag, die alle ein bis zwei Wochen um 25–50 mg gesteigert werden kann. Die Erhaltungsdosis liegt zwischen 100 und 400 mg pro Tag. Häufige Nebenwirkungen sind Schwindel, Übelkeit und Hautreaktionen, wobei schwere Exantheme bis hin zum Stevens-Johnson-Syndrom auftreten können.
Muskelrelaxanzien
Baclofen, ein GABA-B-Rezeptor-Agonist, vermindert die neuronale Erregbarkeit und die Muskelspastik. Es kann sowohl als Monotherapie in milden Fällen als auch in Kombination mit Antikonvulsiva eingesetzt werden. Die Anfangsdosis beträgt 5 mg dreimal täglich, mit Steigerung um 5 mg alle drei Tage bis zu einer Erhaltungsdosis von 30–80 mg pro Tag. Zu den Nebenwirkungen zählen Schläfrigkeit, Schwindel und Muskelschwäche.
Antidepressiva
Amitriptylin kann zur Schmerzmodulation beitragen, indem es die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin hemmt. Die Behandlung beginnt mit 10–25 mg abends, mit Steigerung alle ein bis zwei Wochen um 10–25 mg bis zu einer Erhaltungsdosis von 50–150 mg pro Tag. Sedierung, Mundtrockenheit und Gewichtszunahme sind die häufigsten Nebenwirkungen. Besonders profitieren Patienten mit komorbiden Depressionen oder Schlafstörungen.
Lokalanästhetika
Lidocain blockiert Natriumkanäle und hemmt die Nervenleitung. Es kann als transdermales Pflaster bei lokalisierten Schmerzen oder Allodynie eingesetzt werden. In therapierefraktären Fällen kann eine intravenöse Anwendung unter stationärer Überwachung erfolgen. Lokale Hautreizungen sind häufig, systemische Nebenwirkungen treten selten auf.
Opioide (Reserveoption)
Opioide wie Tramadol, Oxycodon oder Morphin sollten ausschließlich in therapierefraktären Fällen und stets in Kombination mit anderen Substanzen eingesetzt werden. Aufgrund des Abhängigkeitspotenzials und typischer Nebenwirkungen wie Sedierung, Übelkeit und Obstipation sind sie nur als letzte therapeutische Option zu betrachten.
Kombinationstherapie und Monitoring
In therapierefraktären Situationen kann eine Kombinationstherapie aus verschiedenen Antikonvulsiva, etwa Carbamazepin und Gabapentin, oder aus Antikonvulsiva und Muskelrelaxanzien, beispielsweise Carbamazepin und Baclofen, sinnvoll sein. Ziel ist die Maximierung der Wirksamkeit bei gleichzeitiger Reduktion unerwünschter Wirkungen. Die Therapie sollte regelmäßig hinsichtlich Schmerzintensität, Lebensqualität und Nebenwirkungen überprüft werden. Eine langsame Dosissteigerung verringert das Risiko von Nebenwirkungen; bei unzureichender Wirksamkeit oder Unverträglichkeit ist ein Wechsel der Substanzklasse angezeigt.