NEUROLOGIE MIT HERZ
PERSÖNLICH. KOMPETENT. EINFÜHLSAM.

Medikamentöse Therapieprinzipien der Migräne

Migräne ist weit mehr als „nur Kopfschmerz“. Es handelt sich um eine komplexe neurologische Erkrankung, bei der es zu wiederkehrenden Anfällen mit starken, meist einseitigen Kopfschmerzen kommt, die oft von Übelkeit, Erbrechen, Licht- und Lärmempfindlichkeit begleitet sind. Manche Patienten erleben zusätzlich eine Aura, also vorübergehende neurologische Symptome wie Flimmersehen, Sprachstörungen oder Kribbelgefühle. Die Erkrankung kann die Lebensqualität erheblich einschränken und beeinflusst oft Arbeit, Schule und Alltag.

Die medikamentöse Therapie verfolgt dabei zwei grundsätzliche Ziele:

  1. Akuttherapie – die Beschwerden eines einzelnen Anfalls möglichst rasch und vollständig zu lindern, sodass Betroffene schnell wieder funktionsfähig sind. 
  2. Prophylaxe – die Zahl, Schwere und Dauer der Migräneanfälle langfristig zu verringern und dadurch die gesamte Krankheitslast zu senken.

Warum ist dieser Unterschied so wichtig? Weil sich Migräne von anderen Kopfschmerzarten unterscheidet: Ein normaler Schmerzmittelgebrauch reicht bei vielen Betroffenen nicht aus. Während Spannungskopfschmerzen oft mit Ibuprofen oder Paracetamol gelindert werden können, benötigen Migränepatienten häufig spezifische Medikamente wie Triptane, die gezielt in den Migränemechanismus eingreifen.
Gleichzeitig ist bei Migräne wichtig, die Balance zu wahren: Werden zu viele Akutmedikamente eingenommen (mehr als 10–15 Tage pro Monat, je nach Substanz), kann ein Medikamentenübergebrauchskopfschmerz entstehen – eine Art Teufelskreis, bei dem die Kopfschmerzen durch die Medikamente selbst häufiger werden. Deshalb kommt der Vorbeugung (Prophylaxe) eine große Bedeutung zu, vor allem wenn Migräneanfälle sehr häufig auftreten oder wenn die Akuttherapie nicht mehr ausreicht.
Die Auswahl des passenden Medikaments hängt von vielen Faktoren ab:

  • der Häufigkeit und Schwere der Anfälle,
  • möglichen Begleiterkrankungen (z. B. Bluthochdruck, Depression, Epilepsie),
  • individuellen Nebenwirkungen,
  • und den Lebensumständen und Vorlieben des Patienten (z. B. tägliche Tablette vs. monatliche Spritze).

Wichtig ist auch, dass die medikamentöse Behandlung der Migräne immer Teil eines Gesamtkonzeptes ist: Neben Medikamenten spielen auch nicht-medikamentöse Maßnahmen (z. B. Stressmanagement, regelmäßiger Schlaf, Ausdauersport, Entspannungstechniken) eine große Rolle, um Anfälle zu vermeiden oder abzumildern.

Akuttherapie – den Anfall stoppen: Bei der Akuttherapie gilt: Die Medikamente wirken am besten, wenn sie frühzeitig im Anfall eingenommen werden – am besten sobald die Kopfschmerzen beginnen.

  • Leichte bis mittelschwere Migräneanfälle können oft mit Schmerzmitteln wie Ibuprofen, Naproxen oder Acetylsalicylsäure (ASS) behandelt werden. Wichtig ist, dass ausreichend hohe Dosierungen genommen werden und die Einnahme nicht zu häufig erfolgt, um einen Medikamentenübergebrauchskopfschmerz zu vermeiden.
  • Wenn einfache Schmerzmittel nicht ausreichen, kommen die Triptane (z. B. Sumatriptan, Rizatriptan, Zolmitriptan, Eletriptan) zum Einsatz. Sie sind spezifische Migränemittel, die Gefäßveränderungen und Entzündungen im Gehirn rückgängig machen und so Kopfschmerzen sowie Begleitsymptome wie Übelkeit, Licht- oder Lärmempfindlichkeit wirksam lindern. Sie dürfen allerdings nicht bei Patienten mit bestimmten Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingesetzt werden.
  • Antiemetika (z. B. Metoclopramid oder Domperidon) können zusätzlich gegeben werden, wenn starke Übelkeit oder Erbrechen den Anfall begleiten. Sie verbessern zudem die Aufnahme der Schmerz- oder Migränemittel.
  • Für Patienten, die keine Triptane einnehmen dürfen, stehen inzwischen neue Wirkstoffgruppen zur Verfügung: die Ditane (z. B. Lasmiditan) und die Gepante (Ubrogepant, Rimegepant). Diese wirken ohne die Gefäße zu verengen und sind daher eine wichtige Alternative.

Prophylaxe – Anfälle verhindern: Eine vorbeugende Behandlung ist sinnvoll, wenn Migräneanfälle sehr häufig auftreten (z. B. mehr als 3–4 pro Monat), sehr schwer verlaufen oder wenn die Akutmedikamente nicht ausreichend wirken oder nicht vertragen werden. Ziel ist es, die Anfallshäufigkeit, Schwere und Dauer zu senken und die Lebensqualität zu verbessern. Prophylaxemedikamente müssen regelmäßig und über längere Zeit (mindestens 2–3 Monate) eingenommen werden, bevor ihre Wirksamkeit zuverlässig beurteilt werden kann. Oft sind Geduld und konsequente Einnahme notwendig. Zur Prophylaxe stehen mehrere Wirkstoffgruppen zur Verfügung:

  • Klassische Medikamente: Dazu gehören Betablocker (z. B. Metoprolol, Propranolol), Antiepileptika (z. B. Topiramat, Valproat), Antidepressiva (z. B. Amitriptylin) und der Kalziumantagonist Flunarizin. Sie sind gut untersucht, müssen aber täglich eingenommen werden und können Nebenwirkungen haben.
  • Botulinumtoxin Typ A: Speziell für die chronische Migräne zugelassen (≥15 Kopfschmerztage pro Monat). Es wird alle 12 Wochen durch viele kleine Injektionen in Kopf- und Nackenmuskeln verabreicht.
  • CGRP-Antikörper (z. B. Erenumab, Fremanezumab, Galcanezumab, Eptinezumab): Moderne und sehr wirksame Therapien, die monatlich oder vierteljährlich gespritzt bzw. infundiert werden. Sie werden eingesetzt, wenn klassische Medikamente nicht ausreichend helfen oder nicht vertragen werden.
  • Gepante zur Prophylaxe ( Rimegepant, Atogepant): Neue Tabletten, die täglich eingenommen werden. Sie blockieren wie die Antikörper den Migränebotenstoff CGRP, sind aber flexibel einsetzbar.