NEUROLOGIE MIT HERZ
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Was ist das Fibromyalgiesyndrom? Das Fibromyalgiesyndrom, kurz FMS, ist eine chronische Schmerzerkrankung, bei der viele Körperregionen gleichzeitig betroffen sind. Betroffene spüren über Monate oder Jahre Schmerzen in Muskeln, Sehnen und Weichteilen, ohne dass eine Entzündung oder Gewebeschädigung nachweisbar wäre. Zusätzlich treten häufig Müdigkeit, Erschöpfung, Schlafstörungen und Konzentrationsprobleme auf. Die Beschwerden entstehen nicht durch eine Schädigung der Muskulatur, sondern durch eine veränderte Schmerzverarbeitung im Nervensystem. Fachleute sprechen von einer Überempfindlichkeit oder Überaktivierung der Schmerzsignale im Gehirn. Das bedeutet, dass das Nervensystem auf normale Reize stärker reagiert und Schmerzen länger wahrnimmt, als es bei gesunden Menschen der Fall wäre. Das FMS gehört daher zu den sogenannten funktionellen Schmerzstörungen: Die Funktion der Schmerzwahrnehmung ist verändert, nicht aber die Struktur des Körpers.

Wie häufig kommt Fibromyalgie vor und wer ist betroffen? Das Fibromyalgiesyndrom betrifft weltweit etwa zwei bis vier Prozent der Bevölkerung. In Deutschland sind das schätzungsweise bis zu drei Millionen Menschen. Die Erkrankung tritt meist zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr auf und betrifft Frauen deutlich häufiger als Männer. Auch jüngere Menschen können erkranken. Der Verlauf ist meist chronisch, das heißt, die Symptome bestehen langfristig, zeigen aber häufig Schwankungen in Intensität und Ausprägung. Viele Betroffene berichten über Phasen, in denen die Beschwerden zunehmen, und über Zeiten mit deutlicher Besserung. Das FMS ist also keine fortschreitende oder zerstörende Erkrankung, sondern eine Funktionsstörung, die behandelt und positiv beeinflusst werden kann.

Wie entsteht das Fibromyalgiesyndrom? Die genaue Ursache des FMS ist bis heute nicht vollständig geklärt. Man geht davon aus, dass mehrere Faktoren zusammenwirken. Entscheidend ist eine gestörte Schmerzverarbeitung im zentralen Nervensystem. Das Gehirn und das Rückenmark reagieren überempfindlich auf Schmerzsignale, sodass bereits geringe Reize als schmerzhaft empfunden werden. Hinzu kommen häufig Belastungen durch Stress, emotionale Anspannung, Infekte oder körperliche Verletzungen, die diese Überempfindlichkeit auslösen oder verstärken können. Schlafstörungen und anhaltende Erschöpfung tragen dazu bei, dass sich der Körper schlechter erholt und der Schmerzreiz weiter zunimmt. Studien zeigen außerdem, dass genetische Faktoren eine Rolle spielen: In manchen Familien tritt Fibromyalgie gehäuft auf, was auf eine gewisse Veranlagung hinweist. Auch hormonelle Veränderungen, psychische Belastungen und Bewegungsmangel können das Gleichgewicht der Schmerzregulation stören.

Welche Beschwerden verursacht Fibromyalgie? Das wichtigste Symptom sind chronische, weit verbreitete Schmerzen in mehreren Körperregionen, typischerweise in Armen, Beinen, Rücken und Schultern. Die Schmerzen können brennend, drückend oder ziehend sein und wechseln häufig in Ort und Intensität. Viele Betroffene fühlen sich dauerhaft müde, erschöpft und nicht erholt, selbst nach ausreichendem Schlaf. Konzentration und Gedächtnis sind oft eingeschränkt, was als sogenannter „Fibro-Fog“ bezeichnet wird. Zusätzlich treten häufig Begleiterscheinungen auf wie Kopfschmerzen, Reizdarmbeschwerden, Herzklopfen, Schwindel, Kälteempfindlichkeit oder Stimmungsschwankungen. Die Beschwerden können in Stressphasen oder bei Überlastung stärker werden und sich in Ruhephasen bessern. Da äußerlich keine Schädigung erkennbar ist, erleben Betroffene häufig Unverständnis in ihrem Umfeld, obwohl die Schmerzen real und messbar sind.

Wie wird die Diagnose gestellt? Die Diagnose des Fibromyalgiesyndroms wird gestellt, wenn die typischen Beschwerden über mindestens drei Monate bestehen und keine andere Erkrankung die Symptome besser erklärt. Es gibt keinen speziellen Bluttest oder Röntgenbefund, der die Diagnose beweist. Ärztinnen und Ärzte stützen sich auf die Krankengeschichte, die Schilderung der Schmerzen und den Ausschluss anderer Ursachen. Internationale Kriterien wie die ACR-Kriterien von 2010 oder 2016 helfen dabei. Sie erfassen, wie viele Körperregionen betroffen sind und wie stark Müdigkeit, Schlafstörungen und Konzentrationsprobleme ausgeprägt sind. Laboruntersuchungen werden nur durchgeführt, um andere Erkrankungen wie Rheuma, Schilddrüsenstörungen oder Muskelerkrankungen auszuschließen. In unserer neurologischen Praxis in Willich stellen wir die klinische Diagnose mit Hilfe von Beobachtung, ausführlicher neurologischer Untersuchung und Auswertung der standardisierten Fragebögen Widespread Pain Index und Symptom Severity Scale und Ausschluss alternativer Erkrankungen (Chronisches Erschöpfungs-Syndrom (CFS), Polymyositis / Dermatomyositis, Eosinophilie-Myalgie-Syndrom (EMS),  Polymayalgie rheumatica),  die ähnliche Symptome verursachen. 

Wie wird das Fibromyalgiesyndrom behandelt? Das Fibromyalgiesyndrom ist bisher nicht heilbar, aber die Beschwerden lassen sich deutlich lindern. Ziel der Behandlung ist es, die Lebensqualität zu verbessern, Schmerzen zu verringern und die Funktionsfähigkeit zu erhalten. Der wichtigste Baustein ist Bewegung. Regelmäßige körperliche Aktivität, insbesondere Ausdauertraining wie Gehen, Schwimmen oder Radfahren, gilt als die wirksamste Therapieform. Bewegung aktiviert die körpereigenen Schmerzhemmmechanismen und verbessert Stimmung und Schlaf. Ergänzend helfen Entspannungsverfahren wie progressive Muskelentspannung, Yoga, Tai Chi oder Achtsamkeitstraining, den Stress zu senken und den Körper zur Ruhe zu bringen.
Psychotherapeutische Verfahren, insbesondere die kognitive Verhaltenstherapie, unterstützen dabei, den Umgang mit den Schmerzen zu verbessern, Belastungen zu reduzieren und Aktivität wieder aufzubauen. Medikamente können zusätzlich eingesetzt werden, wenn die nicht-medikamentösen Maßnahmen allein nicht ausreichen. Bewährt haben sich Wirkstoffe wie Duloxetin, Pregabalin oder niedrig dosiertes Amitriptylin, die die Schmerzverarbeitung im Nervensystem beeinflussen. Kortison und starke Schmerzmittel wie Opioide sind dagegen nicht hilfreich und werden nicht empfohlen

Wie verläuft die Erkrankung und welche Aussichten bestehen? Das Fibromyalgiesyndrom verläuft chronisch, verschlechtert sich aber in der Regel nicht kontinuierlich. Viele Betroffene lernen mit der Zeit, ihre Beschwerden zu verstehen und aktiv zu beeinflussen. Bewegung, regelmäßiger Schlaf, Stressreduktion und psychologische Unterstützung führen oft zu einer deutlichen Besserung. Schmerzfreiheit ist nicht immer erreichbar, aber eine deutliche Verbesserung von Leistungsfähigkeit, Stimmung und Alltag ist möglich. Günstig für den Verlauf ist eine frühe Diagnose, eine aktive Lebensgestaltung und die Bereitschaft, selbst an der Therapie mitzuwirken. Passivität und Rückzug dagegen verstärken meist die Beschwerden. Entscheidend ist, sich als aktiver Teil der Behandlung zu verstehen – nicht als Opfer der Krankheit, sondern als Mitgestalter des eigenen Wohlbefindens.

Was kann ich selbst tun, um die Beschwerden zu lindern? Ein aktiver Lebensstil ist die beste Voraussetzung für eine Verbesserung. Regelmäßige Bewegung, selbst in kleinen Schritten, ist wichtiger als Anstrengung. Ein geregelter Schlafrhythmus und Entspannungspausen helfen, den Körper zu stabilisieren. Es lohnt sich, auf eine ausgewogene Ernährung, ausreichende Flüssigkeitszufuhr und soziale Kontakte zu achten. Der Austausch mit anderen Betroffenen kann Mut machen und hilfreiche Strategien vermitteln. Wer über längere Zeit seelisch stark belastet ist, sollte psychologische Unterstützung in Anspruch nehmen – dies ist kein Zeichen von Schwäche, sondern Teil einer umfassenden Behandlung. Wichtig ist, realistische Ziele zu setzen, sich kleine Erfolge zu erlauben und Geduld zu haben, denn die Umstellung braucht Zeit.

Welche Behandlungen sind nicht wirksam? Viele Verfahren, die als „Wundermittel“ beworben werden, haben sich wissenschaftlich nicht bewährt. Dazu gehören Kortisonbehandlungen, invasive Injektionen, Operationen oder stark wirksame Schmerzmittel. Auch alternative Methoden wie Homöopathie, Entgiftungskuren oder spezielle Diäten zeigen keine zuverlässige Wirkung. Sie können das Gefühl vermitteln, aktiv etwas zu tun, führen aber selten zu nachhaltiger Besserung. Stattdessen sollte die Energie auf bewährte Maßnahmen gerichtet werden – Bewegung, Entspannung, Schlafhygiene und psychologische Unterstützung.

Wo finde ich verlässliche Informationen und Unterstützung? Da CFS/ME noch immer eine wenig verstandene und oft unterschätzte Erkrankung ist, ist der Zugang zu verlässlichen Informationen besonders wichtig. Viele Betroffene erleben auf ihrem Weg zur Diagnose eine lange Phase der Unsicherheit. Seriöse Informationsquellen helfen, die Krankheit besser zu verstehen und unterstützen den Austausch mit Ärztinnen, Therapeuten und Angehörigen.
In Deutschland bietet die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS (www.mecfs.de) umfangreiche Informationen für Betroffene, Angehörige und medizinisches Fachpersonal. Sie stellt aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse, Hinweise zu sozialrechtlichen Fragen und Kontaktadressen von Fachärzten und spezialisierten Ambulanzen zur Verfügung.
Die Deutsche Fatigue Gesellschaft (www.fatiguesyndrom.de) informiert über Fatigue-Erkrankungen, Selbsthilfestrukturen und Forschungsergebnisse. Auch die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) veröffentlichen aktuelle Empfehlungen zur Diagnostik und Versorgung von CFS/ME.
Zur psychosozialen Unterstützung können Selbsthilfegruppen wertvolle Orientierung bieten. Der Austausch mit anderen Betroffenen schafft Verständnis, verringert Isolation und vermittelt praktische Erfahrungen im Umgang mit der Erkrankung. Lokale Gruppen finden sich über Selbsthilfenetzwerke der Krankenkassen, kommunale Gesundheitsämter oder über Online-Plattformen der Patientenorganisationen.
Verlässliche Informationen zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf wissenschaftlichen Quellen beruhen, keine schnellen Heilversprechen machen und sowohl die körperliche als auch die psychosoziale Dimension der Erkrankung berücksichtigen. Skepsis ist geboten, wenn im Internet vermeintlich „neue“ Heilmittel oder kostspielige Behandlungen angeboten werden, deren Wirksamkeit nicht durch Studien belegt ist.

Was sollten Betroffene über Fibromyalgie wissen? Fibromyalgie ist eine reale Erkrankung, die das Leben beeinträchtigen, aber mit der richtigen Behandlung gut kontrolliert werden kann. Die Schmerzen entstehen nicht durch Entzündung, sondern durch eine gestörte Wahrnehmung im Nervensystem. Es ist keine Einbildung, sondern eine messbare Funktionsstörung. Die wichtigste Botschaft lautet: Bewegung, Wissen und Selbstwirksamkeit sind die Schlüssel zur Besserung. Viele Betroffene berichten nach einiger Zeit, dass sie gelernt haben, mit der Erkrankung zu leben, ohne von ihr beherrscht zu werden. Der Schmerz bleibt oft bestehen, doch die Lebensqualität kann sich deutlich verbessern – Schritt für Schritt, in einem aktiven, informierten und selbstbestimmten Umgang mit der eigenen Gesundheit.