NEUROLOGIE MIT HERZ
PERSÖNLICH. KOMPETENT. EINFÜHLSAM.

Wenn die Kopfschmerzmedikamente selbst zum Problem werden.

Was ist ein medikamenteninduzierter Kopfschmerz? Der medikamenteninduzierte Kopfschmerz entsteht, wenn Schmerz- oder Migränemittel zu häufig eingenommen werden. Ursprünglich helfen diese Medikamente gut gegen Migräne oder Spannungskopfschmerz. Werden sie aber über längere Zeit zu oft verwendet, kann sich der Körper daran „gewöhnen“. Die Folge: Die Kopfschmerzen treten immer häufiger auf, manchmal sogar täglich – und die Medikamente wirken immer schlechter.
Man spricht dann von einem medikamenteninduzierten Kopfschmerz, also einem Kopfschmerz, der durch die Medikamente selbst verursacht oder unterhalten wird.


Wie kommt es dazu?

Unser Gehirn besitzt eigene Systeme, die Schmerzreize verarbeiten und dämpfen. Wenn regelmäßig Schmerzmittel eingenommen werden, verändern sich diese Systeme. Das Gehirn wird empfindlicher, und die Schmerzschwelle sinkt. Zudem kann beim Nachlassen der Medikamentenwirkung ein sogenannter Rebound-Effekt auftreten: Der Schmerz kehrt zurück – manchmal stärker als zuvor – und verleitet dazu, erneut Tabletten einzunehmen. So entsteht ein Kreislauf aus Einnahme, kurzfristiger Linderung und erneutem Schmerz.


Wer ist besonders gefährdet?

Vor allem Menschen, die bereits an Migräne oder Spannungskopfschmerzen leiden, sind gefährdet. Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer. Ein erhöhtes Risiko besteht, wenn Schmerzmittel oder Migränemedikamente an mehr als 10 bis 15 Tagen im Monat über mindestens 3 Monate eingenommen werden – selbst, wenn sie rezeptfrei sind. Zu den häufig betroffenen Medikamenten gehören: Triptane (Migränemittel), Ergotamine, Schmerzmittel wie Ibuprofen, Paracetamol, Diclofenac, Naproxen sowie Kombinationspräparate, die oft Koffein oder Codein enthalten.

Welche Beschwerden treten auf?
Typisch ist ein täglicher oder fast täglicher Kopfschmerz, der sich vom ursprünglichen Kopfschmerz unterscheidet. Er kann dumpf-drückend, ziehend oder pulsierend sein, betrifft oft beide Kopfseiten und wird von vielen Betroffenen als „dauernd vorhanden“ beschrieben. Häufig kommen weitere Beschwerden hinzu wie Übelkeit, Reizbarkeit, Konzentrationsprobleme oder allgemeine Erschöpfung. Viele Betroffene bemerken, dass die Tabletten kaum noch helfen oder nur noch sehr kurz wirken.


Wie wird die Diagnose gestellt?
Die Diagnose wird gestellt, wenn Kopfschmerzen an mehr als 15 Tagen pro Monat auftreten und regelmäßig Schmerz- oder Migränemittel eingenommen werden.
Entscheidend ist die genaue Schilderung der Einnahmegewohnheiten. Ein Kopfschmerzkalender ist dabei sehr hilfreich, weil er zeigt, an wie vielen Tagen Medikamente genommen werden und wie stark die Schmerzen sind. Zur Sicherheit prüft der Arzt, ob andere Ursachen ausgeschlossen werden müssen, etwa durch eine neurologische Untersuchung oder – bei besonderen Auffälligkeiten – eine Bildgebung.


Wie wird der medikamenteninduzierte Kopfschmerz behandelt?
Der wichtigste Schritt ist, die übermäßig eingenommenen Medikamente abzusetzen.
Das klingt einfach, ist aber anfangs oft schwierig, weil sich die Kopfschmerzen in den ersten Tagen noch verstärken können. Diese Phase nennt man Entzugsphase. Sie dauert meist nur wenige Tage bis zwei Wochen. Danach bessern sich die Beschwerden deutlich.

Je nach Medikament erfolgt der Entzug plötzlich oder schrittweise:
Analgetika und Triptane können meist sofort abgesetzt werden, bei Opioiden oder Kombinationspräparaten sollte dies unter ärztlicher Begleitung erfolgen, um Entzugssymptome zu vermeiden. Während des Entzugs werden unterstützende Maßnahmen eingesetzt: ausreichende Flüssigkeitszufuhr, viel Ruhe, Medikamente gegen Übelkeit, und bei Bedarf eine kurzzeitige Behandlung mit Kortison oder Beruhigungsmitteln. In manchen Fällen, insbesondere bei starkem Medikamentengebrauch oder psychischer Belastung, kann ein stationärer Entzug sinnvoll sein, um den Prozess unter ärztlicher Aufsicht zu begleiten.

Wie geht es nach dem Entzug weiter?

Nach erfolgreichem Entzug wird die ursprüngliche Kopfschmerzerkrankung gezielt behandelt. Bei Migräne können Betablocker, Topiramat oder neue Medikamente wie CGRP-Antikörper helfen, die Häufigkeit der Attacken zu senken. Beim Spannungskopfschmerz kommen vor allem Entspannungstechniken, Physiotherapie und gegebenenfalls Amitriptylin zum Einsatz. Sehr hilfreich sind nichtmedikamentöse Maßnahmen wie regelmäßiger Schlaf, Ausdauersport, Entspannung (z. B. progressive Muskelrelaxation) und Stressbewältigung. Wichtig ist, Akutmedikamente künftig nicht öfter als an 2 bis 3 Tagen pro Woche einzunehmen. So lässt sich verhindern, dass der Kreislauf von Neuem beginnt.

Wie ist die Prognose?

In den meisten Fällen bessern sich die Kopfschmerzen bereits innerhalb von vier bis acht Wochen nach dem Absetzen deutlich. Viele Betroffene erleben eine fast vollständige Beschwerdefreiheit. Allerdings kann es zu Rückfällen kommen, wenn Medikamente erneut zu häufig verwendet werden. Deshalb sind regelmäßige ärztliche Kontrollen und ein bewusster Umgang mit Schmerzmitteln sehr wichtig. Die Heilungschancen sind umso besser, je früher das Problem erkannt wird und je konsequenter der Entzug durchgeführt wird.


Was Sie selbst tun können

Führen Sie ein Kopfschmerztagebuch, um Häufigkeit, Stärke und Medikamenteneinnahmen festzuhalten. Versuchen Sie, Auslöser wie Stress, Schlafmangel oder unregelmäßige Mahlzeiten zu vermeiden. Sprechen Sie frühzeitig mit Ihrem Arzt, wenn Sie merken, dass Sie immer öfter Tabletten benötigen. Und ganz wichtig: Seien Sie geduldig – die ersten Tage des Entzugs können anstrengend sein, aber das Durchhalten lohnt sich. Die meisten Patienten berichten nach wenigen Wochen über eine spürbare Besserung und über das Gefühl, endlich wieder Kontrolle über ihren Körper zu haben.


Zusammenfassung

Der medikamenteninduzierte Kopfschmerz ist eine häufige, aber vermeidbare Form chronischer Kopfschmerzen. Er entsteht, wenn Schmerzmittel oder Migränemittel zu oft eingenommen werden. Die Behandlung besteht darin, die auslösenden Medikamente abzusetzen, die Grunderkrankung zu behandeln und neue Strategien im Umgang mit Schmerzen zu entwickeln. Mit ärztlicher Begleitung, Geduld und Aufklärung lassen sich die Beschwerden in den meisten Fällen vollständig zurückbilden.




FACHGESELLSCHAFTEN UND LEITLINIEN

Deutsche Migräne- und Kopfschmerz­gesellschaft e. V. (DMKG)

Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN)

WICHTIGE FORMULARE:

Kopfschmerzfragebogen

DMKG Kopfschmerzkalender



SELBSTHILFE ORGANISATIONEN:

Deutsche Schmerzliga e. V.

SchmerzLOS e. V.