NEUROLOGIE MIT HERZ
Modern. Ganzheitlich. Einfühlsam.
Wenn selbst kleine Aufgaben zur unüberwindbaren Hürde werden.

Fatigue beschreibt einen Zustand tiefer, anhaltender Erschöpfung, der nicht durch Schlaf oder Ruhe behebbar ist. Anders als normale Müdigkeit betrifft Fatigue sowohl die körperliche als auch die geistige Leistungsfähigkeit und führt häufig zu einem völligen Rückzug aus Alltag und Beruf. Sie ist ein häufiges Symptom bei neurologischen Erkrankungen – oft schwer greifbar, aber für die Betroffenen sehr real.

1. Typische Symptome: Menschen mit Fatigue berichten von schneller mentaler Erschöpfbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, verlangsamtem Denken, erhöhter Reizempfindlichkeit und anhaltender Antriebslosigkeit. Schon nach kurzer geistiger oder körperlicher Aktivität fühlen sich Betroffene „ausgelaugt“ oder „wie betäubt“. Viele ziehen sich zurück, weil selbst einfache Gespräche oder Geräusche überfordern. Es fällt schwer, Aufgaben zu strukturieren oder Entscheidungen zu treffen.

2. Alltagserleben: Fatigue führt oft dazu, dass gewohnte Routinen wie Einkaufen, Arbeiten oder soziale Treffen zur Belastung werden. Betroffene erscheinen unzuverlässig, da sie Termine absagen oder sich nicht mehr melden. Angehörige verwechseln Fatigue manchmal mit Faulheit oder Depression. In Wirklichkeit handelt es sich um eine gravierende Funktionsstörung, die oft unterschätzt wird. Häufig müssen Patient:innen Aktivitäten über den Tag streng einteilen oder sich zwischen scheinbar banalen Aufgaben entscheiden – z. B. Duschen oder einkaufen, aber nicht beides.

3. Mögliche Ursachen: Fatigue tritt häufig bei neurologischen Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Morbus Parkinson, nach Schlaganfällen oder bei chronischen Entzündungen des Gehirns (z. B. Enzephalitis) auf. Auch Epilepsien, Hirntumoren oder Autoimmunerkrankungen können Fatigue auslösen. Zunehmend rückt das Post-COVID-Syndrom mit ausgeprägter kognitiver und körperlicher Erschöpfung („Brain Fog“) in den Fokus. Daneben spielen auch Schlafstörungen, Medikamente, Schmerzsyndrome und psychische Belastungen eine Rolle.


4. Unsere Herangehensweise: Wir nehmen Fatigue ernst und gehen ihr strukturiert auf den Grund. Die Diagnostik umfasst Anamnese, neuropsychologische Testung, gegebenenfalls Schlafanalyse (Polysomnographie), bildgebende Verfahren (MRT) und Laboruntersuchungen. Ziel ist es, behandelbare Ursachen zu erkennen und gemeinsam mit den Patient:innen einen individuellen Umgang mit der Fatigue zu entwickeln. Wir arbeiten eng mit Physiotherapie, Ergotherapie, Neuropsychologie und psychosomatischer Medizin zusammen. Oft hilft ein gezieltes Energie-Management („Pacing“) mehr als Medikamente.

5. Wann sollte Sie zum Neurologen gehen: Wenn die Erschöpfung über Wochen anhält, alltägliche Aufgaben unmöglich erscheinen oder der Eindruck entsteht, „nicht mehr der oder die Alte zu sein“, sollte eine neurologische Abklärung erfolgen – insbesondere nach COVID, bei chronischen Erkrankungen oder wenn andere Ursachen ausgeschlossen wurden.

6. Abgrenzung zu psychiatrischen Erkrankungen: Fatigue tritt auch bei Depressionen, Angststörungen oder posttraumatischen Belastungsstörungen auf. In der neurologischen Diagnostik ist es wichtig, diese Krankheitsbilder zu erkennen und sorgfältig abzugrenzen. Während bei der depressiven Erschöpfung meist ein Stimmungstief und Antriebslosigkeit im Vordergrund stehen, berichten Menschen mit neurologischer Fatigue oft von plötzlicher geistiger Leere, Reizüberflutung und einem klar definierten Erschöpfungsmuster. Eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit mit der Psychiatrie und Psychotherapie ist in vielen Fällen sinnvoll.