NEUROLOGIE MIT HERZ
Modern. Ganzheitlich. Einfühlsam.
Wenn Vertrautes plötzlich fremd erscheint.

Agnosie bezeichnet die Unfähigkeit, trotz intakter Sinneswahrnehmung Objekte, Personen, Klänge oder Räume richtig zu erkennen. Die Informationsaufnahme über Augen, Ohren oder Tastsinn ist nicht gestört, wohl aber deren Verarbeitung im Gehirn. Agnosien treten auf, wenn spezifische Areale im Temporallappen, Parietallappen oder Okzipitallappen geschädigt sind.

1. Typische Symptome: Die Symptome hängen vom betroffenen Sinneskanal ab. Bei der visuellen Agnosie werden Gegenstände gesehen, aber nicht benannt oder erkannt. Bei der Prosopagnosie können Gesichter – selbst von engen Bezugspersonen – nicht mehr erkannt werden. Bei der auditiven Agnosie fehlt das Erkennen von Klängen oder Stimmen. Die taktile Agnosie (Astereognosie) führt dazu, dass Gegenstände durch Tasten nicht identifiziert werden können. Die Betroffenen haben oft keine Krankheitseinsicht. Die Fehler wirken auf Angehörige oft bizarr oder irritierend.

2. Alltagserleben: Menschen mit Agnosien verhalten sich im Alltag scheinbar „verwirrt“: Sie erkennen Familienmitglieder nicht, benutzen Alltagsgegenstände falsch oder reagieren unangemessen auf Geräusche. Dies kann zu Missverständnissen, Rückzug oder Unsicherheit führen. Besonders belastend ist es, wenn gewohnte Umgebungen oder Personen plötzlich fremd erscheinen.

3. Mögliche Ursachen: Häufigste Ursache einer erworbenen Agnosie ist ein Schlaganfall, insbesondere wenn Areale im Temporallappen oder Okzipitallappen betroffen sind. Auch ein Schädel-Hirn-Trauma kann die für die Wahrnehmungsverarbeitung zuständigen Hirnregionen schädigen. Weitere mögliche Ursachen sind Hirntumoren, neurodegenerative Erkrankungen wie die Alzheimer-Krankheit oder andere Demenzformen sowie entzündliche Erkrankungen wie eine Enzephalitis. In selteneren Fällen tritt eine Agnosie auch im Rahmen einer kortikobasalen Degeneration auf.

4. Unsere Herangehensweise: Die Diagnostik erfolgt mit spezifischen Testverfahren zur Reizverarbeitung: visuelle Benennaufgaben, Gesichtserkennungstests, Hörbeispiele und Tastproben. Wichtig ist die Abgrenzung zu Sprachstörungen oder Sehstörungen. Bildgebende Verfahren wie MRT helfen, die betroffenen Hirnareale einzugrenzen. Wir arbeiten eng mit Neuropsychologie, Logopädie und Ergotherapie zusammen. Im Fokus steht der Aufbau kompensatorischer Strategien zur Alltagsbewältigung.

5. Wann sollte Sie zum Neurologen gehen: Wenn das Erkennen von Dingen, Personen oder Klängen zunehmend schwerfällt, ohne dass ein Sinnesorgan geschädigt ist, sollte eine neurologische Abklärung erfolgen – besonders nach einem Schlaganfall, Trauma oder bei auffälligem Rückzug.

6. Abgrenzung zu psychiatrischen Erkrankungen: Agnosien können auf Außenstehende bizarr wirken und werden daher nicht selten mit psychischen Störungen verwechselt – etwa mit Halluzinationen, Wahnvorstellungen oder dissoziativen Zuständen. Doch im Gegensatz zu psychiatrischen Krankheitsbildern liegt der Ursprung bei der Agnosie in einer klar umschriebenen, neurologischen Verarbeitungsstörung bei intakter Sinnesfunktion. Eine präzise neurologische und neuropsychologische Diagnostik hilft dabei, die organische Ursache nachzuweisen und psychische Erkrankungen wie Schizophrenie, schwere Depression oder Konversionsstörungen zuverlässig abzugrenzen.